Wie lange willst du eigentlich stillen?

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Ich stille… immer noch. Doch wann wurde aus dem „Du stillst doch?!“ eigentlich das „Du stillst noch?!“.

Die WHO empfiehlt Stillen bis ins zweite Lebensjahr und darüber hinaus, wenn Mutter und Kind es wünschen. Doch gesellschaftlich ist das bei uns noch nicht überall anerkannt.

Woran du merkst, dass auch du nun zu den Langzeitstillerinnen gehörst, erfährst du in diesem Artikel.

Inhaltsverzeichnis

Wann wird aus Stillen Langzeitstillen?

Forscher:innen kommen zu dem Ergebnis, dass die „normale“ Stillzeit des Menschen ursprünglich, abhängig von seiner Kultur und seinem Lebensumgebung, drei bis sieben Jahre beträgt/betrug. Geht man davon aus, ist Stillen bis 3 Jahre kein Langzeitstillen. Doch die Realität sieht anders aus.

nicht nur für Entwicklungsländer

In Deutschland wird ein Baby im Durchschnitt 8 Monate gestillt. Viele empfinden daher das Stillen im zweiten Lebensjahr bereits als ungewöhnlich. Auch wenn die WHO Empfehlung hier sehr klar ausfällt, sind viele offenbar der Ansicht, sie gelte nur für Entwicklungsländer. Doch das ist mitnichten der Fall.

gesellschaftliche Vorbestimmt

Es wird also deutlich, Langzeitstillen ist vor allem ein gesellschaftlich geprägter Begriff. Er wird maßgeblich vom Umfeld der Stillenden bestimmt. So kann es in manchen Kreisen bereits ungewöhnlich sein, länger als 6 Monate zu stillen.

Woran du merkst, dass du langzeitstillst

Dass es bei dir soweit ist, wirst du vor allem an den veränderten Reaktionen bemerken. Während frisch gebackene Mütter anfangs ständig gefragt werden, ob sie denn stillen und ob das Stillen funktioniert, erhalten Mütter älterer Babys bald schon ganz andere Kommentare. Ich habe für dich mal eine Auswahl der Klassiker zusammengestellt.

Wie lange willst du noch stillen?

Das ist wohl die häufigste Frage und ein klares Indiz dafür, dass du länger stillst, als gewöhnlich. Diese Frage kommt meistens recht unvermittelt und sogar fremde Menschen können dir damit zu Leibe rücken. Je nachdem wie die Frage gestellt wird, kann sie provozierend oder interessiert sein.

Es ist dir überlassen, ob du darauf eine konkrete Auskunft geben möchtest oder abblockst. Wenn ich das Gefühl habe, die Frage dient der Provokation, weise ich sie meistens zurück.

Generell gilt, dass eine Frage immer auch etwas über den verrät, der sie stellt. In diesem Fall deutet sie darauf hin, dass die Person sich noch nicht so viel mit dem Thema Stillen beschäftigt hat und es daher befremdlich findet, wenn länger gestillt wird.

Stillst du immer noch?

Hier ist noch deutlicher als bei der ersten Frage zu spüren, dass die Stilldauer als ungewöhnlich empfunden wird. Die Frage kann überrascht bis entsetzt vorgebracht werden. Auch hier gilt wieder, du kannst dein Handeln begründen, musst es aber nicht, wenn die Frage dir unverschämt erscheint. Schließlich geht es niemanden etwas an, wie lange du stillen möchtest.

Also wir haben jetzt abgestillt!

Wenn Freundinnen mit jüngeren Stillkindern abstillen und dir das stolz verkünden, während du einfach weiterstillst, ist es ein weiterer Hinweis darauf, dass du zur Langzeitstillerin geworden bist.

Als mir das zum ersten Mal passiert ist, habe ich kurz einen merkwürdigen Druck verspürt. Irgendwie fühlte es sich für mich so an, als hätte ich eine Frist versäumt. Hatte ich versagt? War ich eine schlechte Mutter? Als ich mir über meine Gefühle klar wurde, verstand ich: Jede Familie ist anders und sollte so leben, wie es sich für sie richtig anfühlt. Für mich persönlich überwiegen die Vorteile des Stillens einfach immer noch.

Du musst endlich loslassen!

Dahinter steht der Gedanke, dass Mütter, die lange stillen insgeheim Probleme haben, loszulassen. Es wird ihnen damit also vorgeworfen, sie wollten die Kinder unterbewusst an sich binden. Hier schwingt oft die Sorge mit, die Kinder könnten nicht selbstständig werden, wenn sie zu lange gestillt würden.

Dafür gibt es jedoch keinerlei Beweise. Stattdessen deutet alles darauf hin, dass Kinder, die ihren sicheren Hafen (die Brust) haben, stabilere Persönlichkeiten ausbilden.

Vorsicht ist bei diesem Satz in Verbindung mit der KITA Eingewöhnung geboten. Gelingt diese nicht ohne Weiteres, wird schnell das Stillen und die sich scheinbar darin manifestierende Klammerhaltung der Mutter zum Problem erklärt, anstatt zu schauen, was das Kind braucht.

Mütter sollten sich von Erzieher:innen nicht verunsichern oder gar zum Abstillen drängen lassen. Der Verlust der geliebten Brust in Verbindung mit einer Eingewöhnung kann das Kind überfordern. Denn genau jetzt braucht es seinen sicheren Hafen mehr denn je.

Das ist ungesund/unnormal

Das ist ein ziemlich heftiger Vorwurf, denn er suggeriert der Mutter, ihrem Kind etwas Schlechtes anzutun. Dieser Satz entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Dennoch kann es einer Mutter zusetzen, wenn sie wiederholt mit solchen Anschuldigungen konfrontiert wird. Hier hilft es sich immer wieder die Fakten vor Augen zu halten und sich Gleichgesinnte zu suchen, die Rückhalt bieten.

Gib ihm doch mal „richtige“ Milch!

Dieser Satz wirkt auf den ersten Blick harmloser als die anderen, impliziert aber eine Menge Unwissen und Unverständnis und hat es deswegen in sich.

Dahinter steckt eine Abwertung der Muttermilch. Kuhmilch wird als die „richtige“ Milch bezeichnet. Dabei gibt es für ein Menschenkind keine bessere Milch als Muttermilch der eigenen Spezies. Was sie so besonders macht, kannst du in meinem Artikel über die Vorteile des Stillens nachlesen. Kuhmilch ist außerdem nicht nur einfach nicht so gut sondern in größeren Mengen sogar ungesund.

Hinter dem Satz steckt oft der verzweifelte Versuch, dem ungewohnten Langzeitstillen ein Ende zu setzen. Wer möchte, kann gerne mit seinem geballten Wissen über Muttermilch aufwarten, wer weniger geduldig ist, kann sich einfach darauf berufen, dass Menschenmilch für kleine Menschen die erste Wahl ist.


Wie soll ich mit Langzeitstillen umgehen?

Wenn du nun also langzeitstillst, stellst du dir früher oder später die Frage, wie du damit in der Öffentlichkeit umgehen sollst. Ich möchte dir hier ein paar Denkanstöße dazu geben.

Geheim oder offen?

Wenn du befürchten musst viele negative Kommentare zu bekommen, liegt der Gedanke nahe, das Stillen ab einem gewissen Zeitpunkt einfach geheim zu halten. Da man mit einem älteren Stillkind meistens schon sehr gut Absprachen treffen kann, ist es grundsätzlich möglich zu vereinbaren zum Beispiel nur zu Hause auf dem Sofa oder im Bett zu stillen.

verstecken vs. zurückziehen

Das ist eine legitime Möglichkeit, wenn du dich damit wohlfühlst. Wichtig dabei ist, dass du beim Stillen kein schlechtes Gewissen hast. Es ist ein wichtiger Unterschied ob du dich zum Stillen versteckst oder zurückziehst auch wenn es von außen betrachtet auf Gleiche hinauskommt.

Stillen in der Öffentlichkeit

Genauso legitim ist es aber auch, in der Öffentlichkeit zu stillen. Keine Mutter sollte am Stillen gehindert werden. Es ist ein natürlicher Vorgang, der zu uns als Menschen gehört und sollte daher seinen Platz in der Gesellschaft haben.

eine Frage des Respekts

Andere Leute sollten das Stillpaar respektieren und Stillen in der Öffentlichkeit (auch über die ersten Babymonate hinaus) sollte gesellschaftlich anerkannt werden. Wenn dir danach ist, dann stille dein Kind: auf dem Spielplatz, im Café oder bei einem Besuch, es ist dein Recht und vor allem deine Entscheidung.

du entscheidest

Es ist auch legitim, wenn du dich an einem Tag zum Stillen zurückziehen möchtest und am anderen in der Öffentlichkeit stillst. Du kannst deinem Kind immer klar machen, dass du jetzt hier nicht stillen möchtest und dafür später Zeit einplanen.

Auseinandersetzungen gehören dazu

Diese Art der Auseinandersetzung und Kompromissbildung gehört zum Langzeitstillen dazu. Das Kind ist jetzt nicht nur ein stummes Gegenüber, sondern möchte ernstgenommen und eingebunden werden. Und ja, manchmal kann es deswegen auch Streit geben und auch das gehört zu einer normalen Entwicklung dazu.

Aufklären oder Umgehen?

Wenn du dich (zumindest hin und wieder) für das offene Stillen entscheidest, werden Fragen und Kommentare (s.oben) nicht ausbleiben. Auch hier gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten damit umzugehen.

informieren und aufklären

Die einen empfinden es als ihre Pflicht, die Gesellschaft aufzuklären und zu informieren und nutzen die Aufmerksamkeit, um Langzeitstillen in der Öffentlichkeit populärer zu machen. Manchmal bringt einem diese eher offensive Art aber auch gehörig Kritik und Gegenwind ein, das ist nichts für jeden.

Stillen ist Privatsache

Es ist auch dein gutes Recht, das Stillen zu deiner Privatsache zu erklären und Fragen und Kommentare abzublocken. Der Nachteil daran ist, dass du potenziell aufgeschlossenen Menschen so die Möglichkeit nimmst, dazu zu lernen und Verständnis aufzubauen.

auf dein Gefühl hören

Am besten ist auch hier wieder auf dein Gefühl zu hören und zu entscheiden, wann es sich lohnt aufzuklären und wann du besser einfach die Schotten dicht machst und dich zurückziehst.

Sicherheit ausstrahlen oder Unsicherheiten teilen?

Je selbstverständlicher und selbstsicherer du dich verhältst, desto mehr zeigst du den Menschen um dich herum, dass Langzeitstillen etwas ganz Normales ist. Wenn du dieser Überzeugung bist und das lebst, wird es auch ein wenig auf dein Umfeld abfärben ohne, dass du viele Worte machen musst. Du bist dann auch ein Vorbild für andere Mütter, die sich bisher nicht trauen oder sich nicht vorstellen können länger zu stillen.

die Bürde des Vorbilds

Aber ein Vorbild sein ist auch anstrengend und manchmal steht einem einfach nicht der Sinn danach. Jede Mutter hat Tage, an denen sie unsicher ist, erschöpft, verwirrt oder einsam. War es doch ein Fehler so lange zu stillen? Könnte ich es nicht schon längst viiiiel leichter haben? Was denken wohl die anderen Mütter über Langzeitstillen?

suche dir Unterstützung

An solchen Tagen ist es gut, wenn du Unterstützung hast und jemanden zum Reden. Aber Vorsicht! Überlege gut, wen du an deinen Gedanken teilhaben lässt. Manche Menschen sehen die aufkeimende Unsicherheit nämlich als Einladung endlich mal ganz offen zu sagen, was sie eigentlich über Langzeitstillen denken und das kann manchmal wenig erfreulich sein und die Lage noch verschärfen.

du brauchst Verständnis

Was du in solchen Momenten brauchst, sind Frauen, die dich wirklich verstehen. Die dir sagen: Hey, ja manchmal ist es verdammt anstrengend, aber es lohnt sich und geht auch wieder vorbei. Du findest sie vielleicht in deinem Freundeskreis. Aber manchmal sind hier die Ansichten einfach zu unterschiedlich, dann suche dir gezielt Unterstützung bei einer Stillberaterin oder Stillgruppe oder bei einer individuellen Beratung.

Die Vorteile des Langzeitstillens

Zum Schluss möchte ich dich mit ein paar Vorteilen des Langzeitstillens motivieren deinen Weg zu gehen, auch wenn du manchmal Gegenwind spürst. Hier ein paar Gedanken dazu, was speziell das Langzeitstillen so wertvoll macht.

Nähe tanken

Auch wenn dein Kind schon einiges an Selbstständigkeit dazugewonnen hat, du als Mutter bleibst eine enge Bezugsperson. An der Brust kann ein kleiner Weltentdecker in Windeseile wieder auftanken und ist dann bereit für eine neue Erkundungstour. Mit dem Stillen gibst du deinem Kind also einen sicheren Hafen, der Ausgangspunkt für alle großen und kleinen Abenteuer ist.

Bedürfnisorientiert

Langzeitstillen im Einvernehmen mit dem Kind ist bedürfnisorientiert. Denn nur, weil dein Baby sich nicht äußern kann, heißt das ja nicht, dass es glücklich mit dem Abstillen ist. Dein Kleinkind kann sich hingegen schon deutlicher mitteilen und gemeinsam mit dir an einem Weg arbeiten, der euer beiden Bedürfnisse berücksichtig.

Gesund

Da die Muttermilch perfekt auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt ist, ist sie eine gesunde Ergänzung zur festen Nahrung. Außerdem können über die Milch Antikörper weitergegeben werde, die das Immunsystem des Kindes stärken. Auch für die Mutter hat es gesundheitliche Vorteile, denn eine lange Stillzeit senkt beispielsweise das Brustkrebsrisiko.

Weniger Milchstau

Für denn (eher selten vorkommenden) Fall, dass du ein älteres Stillkind und ein Neugeborenes hast und tandemstillst, hast du den Vorteil, dass es in Zeiten des Milcheinschusses seltener zum Milchstau kommt. Somit wird einer Brustentzündung vorgebeut.

Wunderwaffe

Stillen ist und bleibt eine Wunderwaffe. Wenn das Kind krank wird und nichts mehr isst, geht das Stillen meistens trotzdem und wird auch im Fall von Magen-Darm-Infekten gut vertragen, da die Milch so leicht verdaulich ist. Sie versorgt das Kind dann mit Nährstoffen, Flüssigkeit und Antikörpern. Aber auch in seelischen Notsituation wirkt das Stillen sehr positiv, da es beruhigt und tröstet.

Wann sollte ich abstillen?

Wann es Zeit ist, abzustillen ist eine sehr individuelle Entscheidung. Du kennst nun die WHO Empfehlung und die Vorteile vom Langzeitstillen. Allerdings gelten diese nicht uneingeschränkt. In dem Moment, wo dich das Stillen nervt, stresst oder abstößt, solltest du anfangen abzustillen.

was ist das Problem?

Wenn du beim Stillen negative Emotionen verspürst, wird dein Kind diese Spannung fühlen. Es wird genau spüren, dass Mama, das eigentlich gar nicht mehr will. Wenn du dennoch weitermachst wird dein Kind daraus zwei Dinge lernen. Erstens: Wenn man erwachsen ist, ist es okay über die eigenen Grenzen zu gehen. Und zweitens: Es ist okay sich über die körperlichen Grenzen anderer hinweg zu setzen. Beides keine erstrebenswerten Lernziele.

es wird Zeit

Tu also dir und deinem Kind den Gefallen und mache dich auf den Weg des Abstillens, wenn du negative Gefühle beim Stillen spürst. Das heißt natürlich nicht, dass du von heute auf morgen aufhören solltest, manchmal reicht es auch schon, wenn man sich auf den Weg macht.

Mehr zum  Thema Stillen erfährst du in meinen anderen Beiträgen.

Wenn du so begeistert vom Stillen bist, dass du dich fragst, warum nicht alle Mütter stillen, empfehle ich dir meinen Artikel zum Thema Stillzwang.

Kannst du dir vorstellen länger als ein Jahr zu stillen oder gehörst du bereits zu den Langzeitstillerinnen? Wie sind deine Erfahrungen zu diesem Thema? Teile sie mit uns in den Kommenatren.

2 Antworten

  1. Hallo,
    ich Stille mittlerweile etwas mehr als 2,5 Jahre und muss mir aus meinem Bekanntenkreis und auch von meiner Schwiegermutter öfter die Frage anhören „was du stillst immer noch ? „ . Es belastet mich nicht das sie so frech und bewertend Fragen , ich finde es allerdings unangebracht und anmaßend.
    Ich stille meinen Sohn nur noch abends zum einschlafen und nachts zum weiterschlafen .
    Da ich nun allerdings schon einen Termin im CT absagen musste , weil ich da Kontrastmittel nehmen soll und sich das nicht mit dem Stillen verträgt , würde ich schon gerne langsam abstillen . ich weiß allerdings gar nicht wie ich das hinbekommen soll?!
    Wenn ich zu meinem Sohn sagen das die Brust irgendwann auch alle ist dann sagt er „ Hä, das ist doch aber so lecker“
    Vielleicht kann ich hier einen Rat bekommen , wie es ohne Tränen funktionieren kann ?

    Viele Grüße
    Sandra

    1. Hallo Sandra,
      Vielen Dank für deine Nachricht. Wie schön, dass ihr so eine gut funktionierende Stillbeziehung lebt.
      Ich höre heraus, dass du dir nun mehr und mehr wünschst, abzustillen. Abstillen ist genau wie die Stillbeziehung selbst ein ganz individueller Vorgang und es gibt hier nicht DEN einen Weg, der für alle passt. Ich berate in meinen Beratungen auch zum Thema bindungsorientiert abstillen. Wenn du meine Hilf brauchst, kannst du mich jederzeit per Email kontaktieren ([email protected]). Ich helfe dir dann bei eurem ganz persönlichen Weg des Abstillen.
      Liebe Grüße
      Kirstin

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