8 Gründe woran du merkst, dass du ein ganz normales Kleinkind hast

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Das Verhalten deines Kindes bringt dich immer wieder an deine Grenzen? Du denkst, dass kann doch wirklich nicht sein Ernst sein?
Ich habe für dich ein paar der von Eltern häufig als anstrengend empfundenen Verhaltensweisen von Kleinkindern zusammengetragen und erkläre dir, warum sie in Wirklichkeit zu einer normalen Entwicklung dazugehören.

Inhaltsverzeichnis

Stillkinder oder Langzeitstillen ist normal

Dein Kleinkind stillt noch? Wie schön, dass ihr so eine gut funktionierende Stillbeziehung habt!

Stillende Kleinkinder waren ursprünglich völlig normal. Das Abstillalter variierte zwar abhängig vom Nahrungangebot der Umgebung, aber es lag dennoch weit über das Babyalter hinaus.

Heute sind stillende Kleinkinder eher eine Seltenheit. Zumindest sieht man sie kaum in der Öffentlichkeit und die Stillenden sprechen ab einem gewissen Alter kaum noch darüber, wenn sie ihr Kleinkind noch stillen.

Manche von ihnen stillen weiter, weil das Kind es noch einfordert, haben aber ein schlechtes Gewissen und tun es mehr oder weniger heimlich. Deshalb nochmal ganz deutlich: Stillen über das erste Lebensjahr hinaus ist nicht ungesund, unnötig, ein Problem in der Kita oder schlecht für die Entwicklung. Es ist “normales” Homo sapiens Verhalten.

Alle Stillpaare, die weiter stillen wollen, sollen das tun und zwar ganz ohne schlechtes Gewissen und gerne auch für andere sichtbare um “Langzeitstillen” gesellschaftsfähig zu machen. Und alle, die abstillen wollen, weil es ihnen nun reicht, sollen es auch tun und zwar bevor sie so genervt sind, dass sie von heute auf morgen die Reißleine ziehen.

Wenn du merkst, dass du dein Kleinkind nun nicht mehr stillen möchtest, ist der Zeitpunkt mit dem Abstillen zu beginnen. Ich unterstützte dich gerne bei eurem ganz persönlichen Weg

Wählerische Esser:innen oder die Angst vor Neuem

Da hast du bei der Beikosteinführung dein Bestes gegeben, verschiedene Obst- und Gemüsesorten aufgefahren und nun, wo dein Kleinkind selbst isst und auswählt, verschmäht es das so gesunde Gemüse plötzlich. Und schon ist der Stress wieder groß und du quälst dich mit Gedanken wie: 

“Es muss doch Gemüse essen!”

“Wenn es das jetzt niemals isst!”

“Ich habe versagt, wenn mein Kind das nicht isst!”

Wie so oft kann es helfen zu hören, dass es sich hierbei um normales Kleinkindverhalten handelt und in der Regel niemand etwas falsch gemacht hat.

Ein Blick zurück zeigt uns die Kinder der Steinzeit, die in der Natur zuhause, in der es auch jede Menge giftige Sachen gibt. Es wäre schlicht lebensgefährlich, wenn Kinder einfach alles Essen würden, was da wächst und kriecht. Doch zum Glück sind unsere Kleinkinder mit einem klugen Sicherheitsmechanismus ausgestattet, den man auch “Neophobie” (die Angst vor Neuem) nennt.

Dass sie ab dem Kleinkindalter plötzlich viel wählerischer beim Essen werden, ist kein Zufall. Es zeigt sich zum Beispiel, dass vor allem grüne Lebensmittel besonders häufig abgelehnt werden. Das war Teil einer sinnvollen Strategie, denn grüne Farbe geht in der Natur häufig mit Unreife und Giftigkeit einher. Aus dem gleichen Grund werden auch bittere Lebensmittel häufiger verschmäht.

Neben den grünen und bitteren Produkten haben es besonders die neue, unbekannten Lebensmittel schwer. Damit sie in den vertrauten Speiseplan aufgenommen werden müssen immer wieder angeboten werden (10 mal und mehr ist nicht selten), bis sie an Akzeptanz erlangen.

Es ist also normal, wenn sich das Essverhalten deines Kindes ändert und es wird sich auch wieder verändern, wenn es älter wird. Versuche also entspannt zu bleiben, Gemüse immer wieder anzubieten und selbst Vorbild zu sein und viel davon zu essen.

Wickelkinder oder der Wunsch, klein zu sein

Gerade war noch alles so super, dein Kleinkind endlich trocken und dann plötzlich das: “Windel! Windel!”.

Es kann sich richtig beängstigend anfühlen, wenn das Kind statt Fortschritte plötzlich Rückschritte zu machen scheint. 

“Geht jetzt alles wieder von vorne los?” 

“Haben wir was falsch gemacht?” 

“Wird mein Kind es jemals schaffen?”

 “Was denkt jetzt die Oma?”

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt des Stresses, der dadurch bei Eltern ausgelöst werden kann.

Daher ist es gut zu wissen, dass solche Phasen zur normalen Entwicklung dazugehören können und sich meistens von selbst wieder geben, wenn das Bedürfnis dahinter befriedigt wurde.

Verlangt dein Kind also plötzlich wieder nach der Windel, lautet die erste Frage: Was steckt dahinter? Hat sich etwas in der Familie, im Umfeld geändert? Gab es ein negatives Toilettenerlebnis? Es können manchmal auch kleine, für Erwachsene unspektakuläre Dinge sein, die sich hier auswirken.

Aber selbst, wenn du nicht rausfindest, was der Auslöser ist, ist es in solchen Momenten ratsam, wenn du deinem Kind gibst, was es verlangt. Erfülle ihm den Wunsch nach der Windel und zelebriere es richtig mit ihm. Versuche deine Ängste und Widerstände, die du vielleicht spürst, auszublenden. 

Wenn du jetzt mit der Welle schwimmst, dann wird sich das Thema wahrscheinlich in ein paar Wochen wieder erledigt haben. Erfüllte Bedürfnisse verschwinden ja bekanntlich. Hab im Kopf, dass dein Kind über das Wickeln ganz verschiedene Bedürfnisse befriedigen kann: Nähe, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Schutz… Lass dich darauf ein, vertraue deinem Kind.

Rückschritte gehören zum Wachsen dazu. Lass dein Kind spüren, dass du es auch dann liebst und hab Vertrauen, dass alles gut werden wird. Sollte die Phase länger dauern und du dir Sorgen machen, lass dich beraten oder konsultiere deine Kinderärzt:in.

Faulpelze oder kleine Traglinge

Gerade auf dem Spielplatz ist dein Kleinkind noch wie wild rumgerannt, konnte gar nicht genug bekommen und jetzt, wo ihr heim wollt, hängt es an deinem Bein und jammert: “Hoch!”. Und du denkst dir nur so: “Ähhhh…neeee!”

Dieses Phänomen ist sehr häufig zu beobachten. Die Kinder können schier unendlich spielen und toben, aber wenn wir aufbrechen, ist das schlagartig vorbei und sie sind anhänglich und quengelig. Dazu kommen gerne noch die passenden negativen Glaubenssätze im Ohr: 

“Das Kind soll sich selbst anstrengen!”

“Es wird unselbstständig, wenn du nachgibst!”

“Es will dich bloß ausnutzen!” 

Und schon ist  Drama vorprogrammiert: Wenn du nachgibst, fühlst du dich schlecht, wenn du hart bleibst, weint dein Kind. Du kannst nur verlieren. Daher mal ein anderer Film für dein Kopfkino:

In den Anfängen der Menschheit lebte der Homo sapiens nomadisch und legte regelmäßig größere Strecken zurück. Die Kinder wurden hierbei bis ca. 7 Jahre (von den Männern) getragen, um mithalten zu können und nicht verloren zu gehen.

Während die Kinder also gewöhnt waren, sich innerhalb des Lagers recht frei und selbstständig zu bewegen, suchten sie, wenn die Gruppe aufbrach, ihren Platz auf dem Rücken eines Familienmitglieds.

Genau das macht auch dein Spielplatzkind, wenn es merkt, die Sonne geht bald unter, wir verlassen den Platz und gehen weiter. Das war viele Jahre in der Menschheitsgeschichte das absolut Rchtige und Vernünftige.

Selbstständigkeit und sich Tragen lassen, stehen also hier überhaupt nicht im Widerspruch. Im Gegenteil, wenn die Kinder hartnäckig für das Tragen einstehen, kümmern sie sich in gewisser Weise um sich selbst, ist das nicht cool.

Bleibt natürlich noch zu klären, wie du dem Bedürfnis nachkommen, ohne selbst (Rücken-)Probleme zu bekommen. Aber hierfür gibt es ja tolle Tragen, Buggys (im Zweifel für die Taschen) oder du siehst es eben Fitnessprogramm für dich.

Wutzwerge oder Gehirne in der Entwicklung

Kleinkinder lernen noch. Unter anderem lernen sie den Umgang mit ihren Gefühlen wie Wut.

Ein wichtiger Punkt zuerst: Der Königsweg ist hier nicht, sich dauerhaft so zu verhalten, dass es erst gar nicht zu so einem Ausbruch kommt. Also beispielsweise alles aus dem Weg zu räumen, was einen Wutanfall triggern könnte. Ebenso wenig geht es darum, während eines solchen Anfalls Härte zu zeigen, dem Gebaren Einhalt zu gebieten und durchzugreifen.

Um was geht es dann? Im besten Fall helfen wir unseren Kindern beim Lernen, indem wir ihnen verschiedene Dinge mitgeben.

1) Wütend sein ist ok.
2) Du bist wütend, aber du bist nicht die Wut.
3) Es gibt andere Möglichkeiten mit Wut umzugehen.

Und wie das geht vermitteltst du gleich mit, indem du dich im Idealfall so verhältst, wie dein Kind es später auch mal tun soll: Du bleibst ruhig. Du bleibst präsent. Du hältst es aus. Wenn dir das gelingt, kannst du dein Kind co-regulieren. Das bedeutet, bist ruhig und es beruhigt sich zusammen mit dir.

Das wäre der beste Fall. In der Realität haben Eltern an einem viel zu heißen, viel zu langen Tag mit zu viel Verantwortung und zu vielen Wutausbrüchen ab einem gewissen Punkt nicht mehr die Kraft, alles aufzufangen, auszuhalten und mitzubegleiten. Dann darf auch mal abgewogen und nachgegeben werden. Dann wird die Regulationfähigkeit eben am nächsten Tag weiter trainiert, wenn alle frisch “aufgetankt” sind. Es geht nämlich nicht um Konsequenz an dieser Stelle.

Kinder dürfen wütend sein, Kinder dürfen sich auf den Boden werfen, Kinder dürfen toben.
Und im besten Fall, haben sie Erwachsene zur Seite, die sie durch diese Stürme hindurch begleiten und gleichzeitig nicht vergessen, auch auf sich selbst zu achten.

Türschwellendrama oder Trennungsschmerz

Tränen an der Tür zur Betreuung = Schweiß bei den Eltern, die jetzt wirklich mal los sollten und nun ein furchtbar schlechtes Gefühl haben.

Okay, es ist nicht schön, sein Kind weinen zu sehen. Aber wir müssen unterscheiden: Prinzipiell ist es in Ordnung, wenn Kinder beim Abgeben weinen. Sie haben ja keinen Einfluss auf die Situation. Sie sollen da hin, haben sich das meistens nicht ausgesucht, können die Zeit auch viel weniger überblicken. Sie leben im Hier und Jetzt und da finden sie es gar nicht gut, dass sie sich von ihrer geliebten Bindungsperson auf für sie unbestimmte Zeit trennen sollen.

Wichtig: Trauer und Schmerz dürfen sein, es ist aber entscheidend, ob das Kind so gut an seine Betreuungsperson gebunden ist, dass es sich von ihr nach wenigen Minuten trösten lässt. 

Die Fragen sollten also lauten: Wie lange weint das Kind? Lässt es sich trösten? Findet es ins Spiel? Dann ist es trotz Trennungsschmerz gut eingewöhnt. Weint es hingegen länger und ist untröstlich, braucht es mehr Begleitung und mehr Zeit für eine wirkliche Eingewöhnung. Ein enger Austausch mit der Betreuungsperson ist hier sehr wichtig.

Und den anderen Eltern möchte ich sagen, dass es eine persönliche Entscheidung ist, Betreuung in Anspruch zu nehmen, vor der man Respekt haben sollte. Wir sollten nicht urteilen warum wer wie viel wie früh sein Kind in eine familienergänzende Betreuung gibt oder eben nicht. Das steht uns nicht zu, weil wir niemals in eine Familie hineinblicken.

Es kann eine sehr gute Entscheidung sein, sein Kind für ein paar Stunde betreuen zu lassen, auch wenn man gar nicht arbeitet. Manche Eltern brauche diese Zeit dringend, um Kraft zu sammeln oder Dinge zu erledigen. Genauso kann es eine gute Idee sein, ein Kind nicht (mehr) betreuen zu lassen, weil man sieht, dass es ihm nicht gut damit geht und sich das negativ auf die Familie auswirkt.

Es geht in einer Familie immer um die Bedürfnisse aller. Jede Familie ist anders. Jede trifft ihre Entscheidungen. Und Tränen sind ok, wenn sie gut begleitet werden können.

Nachteulen oder kleine wache Gehirne

Viele Kinder brauchen auch noch im Kleinkindalter Begleitung in den Schlaf. Das ist ganz normal und kein Grund zur Sorge. Einschlafen heißt, vom Kopf auf den Körper umschalten und genau das fällt einigen Kindern schwer. Sie finden vom wachen Entdeckermodus einfach nicht alleine in den Ruhemodus.

Du kannst diesen Wechsel unterstützen, z.B. durch ein Bad, eine Massage (z.B. verpackt in eine Gute-Nacht-Geschichte) oder eine Traumreise für Kinder. Manche Kinder fordern ein, dass eine Bindungsperson zu ihnen liegt. Auch das ist ok.

Versuche diese Zeit auch angenehm für dich zu gestalten. Vielleicht magst du ein Hörbuch dabei hören oder eine Meditation (mit oder ohne Kopfhörer). Versuche es als willkommene Pause für dich zu sehen, einen Moment, um deinem Kind nahe zu sein und gemeinsam zur Ruhe zu kommen.

Ja ich weiß, es ist manchmal sehr schwer, die To-do-Liste im Kopf abzuschalten. Es gibt doch noch sooo viel zu erledigen! Ja, das stimmt, aber es ist auch viel schwerer für dein Kind einzuschlafen, wenn du neben dran so aktiviert und angespannt bist. Je langweiliger und entspannter es ist, desto leichter wird dein Kind in den Schlaf finden. 

Also tust du gut daran, wenn du dir die Zeit zur Entspannung einplanst und alles andere auf später verschieben. Dabei kann auch helfen, sich über den Tag eine To-do-Liste anzulegen, dann brauchst du die Sachen nicht mehr im Kopf haben und vergisst trotzdem nichts.

Schauspieler:innen oder unreife Gehirne

Dein Kleinkind kann sich nicht alleine beruhigen… und das ist ganz normal so.

Bei Kindern muss sich die Regulationsfähigkeit, welche bewirkt, dass man sich in emotional herausfordernden Momenten beruhigen kann, erst noch entwickeln. Und wie lernen sie das? Indem sie sich anfangs über eine ruhige Person co-regulieren und später mit ihr zusammen. Und zwar nicht einmal oder dreimal, sondern viele, viele, sehr viele Male und mitunter viel öfter, als wir es gerne hätten.

Und wie lernen sie es nicht? Mit “Auszeiten” im Kinderzimmer, auf der “stillen Treppe”, in der “Ecke der Schande” oder an jedem anderen von uns Erwachsenen erdachten Ort, an dem Kinder alleine mit ihren Gefühlen gelassen werden.

“Komm wieder raus, wenn du dich beruhigt hast!”
“So wollen wir dich am Tisch nicht haben!”
“Mit solchen Kindern mag keiner gern spielen!”

Diese und ähnliche Sätze tun Kindern nicht nur im Herzen weh, sie behindern gleichzeitig auch die Entwicklung einer starken Regulationsfähigkeit. Denn auf der “stillen Treppe” ist es nicht nur still sondern auch einsam. Und ein einsames Kind hat niemanden, der ihm hilft, aus seinen überbordenden Gefühlen und dem Chaos in seinem Inneren wieder rauszukommen.

Was lernen Kinder stattdessen, wenn sie alleine in ihrem Zimmer wüten und weinen? Sie lernen, dass ihre Gefühle nicht in Ordnung sind und da sie ganz davon erfasst sind, ist es für sie so, als ob sie selbst auch nicht in Ordnung sind. Sie lernen, dass nur der Liebe verdient, der folgsam und angepasst ist und dass sie darum besser nie mehr solche Gefühle haben sollten (was natürlich niemals aufgeht). Sie lernen, dass sie in ihren dunklen Momenten ganz alleine sind und keine Hilfe erwarten können.

Darum: wenn es irgendwie geht und du ruhig bleiben kannst, bleibt bei deinem Kind, wenn es wütet und weint, tobt und trotzt. Und wenn du noch nicht ruhig bleiben kannst, weil du es vielleicht damals als Kind allein im Bett nicht lernen konntest, dann lohnt es sich wirklich, das jetzt Stück für Stück zu üben. Für dein Kind und für dich selbst.

Mit meinen Vorträgen und Workshops möchte ich Eltern helfen, die natürliche Entwicklung ihrer Kinder besser zu verstehen, meine aktuellen Angebote findest du hier.

Hast du manchmal Sorge, dass du ein kleines “Tyrannenkind” großziehst? Dann ließ umbedingt meinen Beitrag zum Thema “Tyrannenkinder?!”.

Wenn du noch mehr über die binungsorierntierte Begleitung von Kindern erfahren möchstest, wirf einen Blick auf meine Beiträge zum bindungsorientierten Familienleben.

Hast du selbst ein Kleinkind, was dir immer wieder Rätsel aufgibt? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar!

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